Gekentert.

Wir sind gekentert. Eine Mischung aus eigener Dummheit und unglücklichen Umständen. Nichts passiert und man lernt daraus.

Im Hochsommer sind wir mit dem Pocketship satt gekentert. Glücklicherweise ist nichts passiert, das Wasser war warm und wir sind so dicht unter Land über Bord, dass wir stehen konnten. Ich erwischte gleich nach dem Auftauchen ein Seil, so konnte ich das Boot aus der Strömung ziehen und an Land befestigen. Der Mast war auf Wasserspiegelhöhe, die Segel unter Wasser und dennoch hat sich das Boot nach kurzer Zeit von selbst aufgerichtet. Der Rumpf lag dank der Hohlräume in den Bordwänden so hoch, dass kein Wasser ins Cockpit gelaufen ist, in die Kajüte sowieso nicht. Ich habe das John Harris mitgeteilt, dem Konstrukteur, der sich darüber sehr gefreut hat, weil ihm noch keine Berichte zum Kentern geschickt wurden. Der Schaden am Boot war gering: Der Verklicker ging verloren und der Lümmelbeschlag ist verbogen. Der aber war ohnehin nur ein filigranes Provisorium, weil ich nichts anderes auftreiben konnte.

Wie kam es dazu? Das ist nicht ganz einfach zu beantworten und hatte verschiedene Gründe. Der Wesentliche ist eigene Dummheit. Und das gleich in dreifacher Hinsicht. Erstens hatte ich einen wichtigen Umstand im Handbuch versehentlich falsch übersetzt. Dort gibt es einen kurzen Abschnitt über zusätzliches Gewicht in der Bilge. Ich hatte es so verstanden, dass dies Gewicht wahlweise wäre. Stattdessen wird es dringend empfohlen, und zwar zusammen mit der unter Deck verstauten Ausrüstung bis zu 150 kg. John Harris schrieb mir allerdings, dass das wohl viele nicht so genau nähmen, auf den meisten Fotos von Pocketships, die er kenne, lägen die Boote sehr hoch und seien zu leicht. Ich bin also auch nur mit dem Standardblei im Kiel und Schwert durch die Gegend gefahren. Zweitens hatte ich das Schwert oben, weil die Aller im letzten Sommer derart flach war, dass wir mit dem Schwert ständig Grundberührung hatten, in Außenkurven sogar ohne Schwert. Am Tag davor war ich bei ähnlichen Wetterverhältnissen und gleichen Parametern allerdings recht flott und problemlos gesegelt. Und drittens hatte ich auf der Fahrt zum Hafen angesichts der Erfahrungen vom Vortag schon überlegt, ob ich nicht reffen sollte. Heute weiß ich: Wenn man das schon überlegt, sollte man es tun. Ich habe es unterlassen, weil es zu dem Zeitpunkt noch eine aufwendige Fummelei gewesen wäre. Jetzt haben wir eine Reffeinrichtung.

So viel zu den eigenen Fehlern. Nun kamen noch ein paar Umstände hinzu. Wie gesagt war ein frischer Wind mit ordentlichen Böen, allerdings hat der Fluss viel Landabdeckung. Man kommt damit einigermaßen zurecht, wenn man in der Mitte unterwegs ist. Ich musste allerdings einem verträumten Paddler ausweichen, der trotz Boot unter Segeln die Mitte für sich reklamierte. Unter Land nach Wind suchend kamen wir unter leichter Motorhilfe plötzlich in eine Böe aus einem Windkanal, dem das Boot die volle Segelfläche anbot und uns binnen Sekunden auf die Seite warf. An zielführende Details können wir uns nicht recht erinnern, so schnell ging es.

Einige Monate später haben wir uns bei einem Weihnachtsspaziergang den Graben einmal von der Landseite, vom Deich aus, angesehen. Da wird klar, wie eine Düse solche Wucht erreichen kann. Über mehrere hundert Meter führt ein tiefer Graben schnurstracks auf den Fluss zu. An der Mündung verjüngt sich der Graben, und da er im Sommer seitlich von Buschwerk und oben von dichtem Laub der Bäume begrenzt ist, kann die Böe nicht ausweichen und gewinnt zwangsläufig an Fahrt. Zwanzig Meter danach traf sie auf ein Segel mit voller Angriffsfläche und eine völlig überraschte Besatzung.

Die Kollegen im Hafen kennen diese Ecke. Mehrere haben auch mit leichten Motorbooten dort ebenfalls spannende Erfahrungen gemacht. Zum Umfallen muss natürlich erst ein Segelboot kommen.

Man lernt daraus. 60 kg Blei kamen kurz darauf ins Boot, weitere 60 kg folgen und über Winter kommt auch noch eine ordentliche Batterie hinein. Dann sollte es ordentlich liegen. Die neue Reffeinrichtung und mehr Vorsicht, besonders an dieser Ecke, sollten einen erneuten Tauchgang verhindern.

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